Wie sieht die Städtepartnerschaft der Zukunft aus? • Ein Rückblick auf 50 Jahre und 700 km Atemlosigkeit

Die gut 60 Gäste verbrachten einen vergnüglichen Abend im Forum Köppern, kulinarisch betreut vom Restaurant „10 Mühlen“ (Foto: Sven Arnold)

„Die Zeit verändert Menschen, Gefühle, Situationen. Die Zeit verändert Träume und Gedanken. Was bleibt, sind schöne Momente.“ So beschrieb Norbert Schneider als Vereinsvorsitzender 50 Jahre Städtepartnerschaften zwischen der Hugenottenstadt und den freundschaftlich verbundenen Städten in Frankreich, Großbritannien und Österreich.

Gut 60 Gäste, zu denen auch Bürgermeister Lars Keitel und Stadtverordnetenvorsteher Dr. Gerd Brücks gehörten, feierten mit dem Städtepartnerschaftsverein Friedrichsdorf dessen 50. Geburtstag. Eingehüllt in die Musik von Pianist Knut Wagner und Chansonnette Myriam Jabaly unternahmen sie einen Ausflug in die Vergangenheit mit Dokumenten, Aufnahmen, Trophäen und T-Shirts aus den vergangenen fünf Jahrzehnten. Manch einer schmunzelte über sein jüngeres Selbst, andere erinnerten sich gern an Ausflüge und sportliche Erfolge wie die erste Radtour über fast 700 Kilometer Landstraße nach Houilles.

Fünf besondere Gäste gaben sich an diesem Abend die Ehre, als Gründer oder Mitglieder der ersten Stunde wie Wolf-Rüdiger Krauss, Ernst Pauly, Karl-Günter Petry, Wolfgang Pöschl, Klaus Bernhard und Ursula Dreefs.

So weit die Vergangenheit. Denn zuletzt ist die Arbeit des Vereins schwieriger geworden. Weniger Mitglieder, weniger Helfer, hier und da stellt sich sogar die Sinnfrage. Wozu sind Städtepartnerschaften heutzutage gut, und sind sie überhaupt noch notwendig? Wir baten Bürgermeister Lars Keitel, die Frage zu beantworten. Für ihn ermöglichen Städtepartnerschaften ganz unkompliziert und quer durch alle Altersgruppen persönliche Kontakte zwischen Menschen, zwar mit unterschiedlichem kulturellen und sprachlichem Hintergrund, jedoch verbunden mit dem Heimatgefühl Europa. Dabei ist die Vergangenheit nur das Eine. Andererseits müssten, so Keitel, Partnerschaften von Zeit zu Zeit neu gedacht werden – so lautet sein Auftrag an den Verein.

  • Zwei aus den ersten Stunden: Wolf-Rüdiger Krauss (links) und Ernst Pauly (rechts) mit Vereinschef Norbert Schneider (Foto: Sven Arnold)

50 Jahre Städtepartnerschaftsverein, wir schreiben das Jahr 1972. Norbert Schneider erinnert sich: „Ich beendete gerade meine Ausbildung, in den USA beherrschte ‚Watergate‘ die Gemüter, Margarethe II wurde zur Königin der Dänen gekrönt, in Nord-Irland eskalierte mit dem Bloody Sunday der Konflikt und während der Olympischen Spiele in München kommt es zur Geiselnahme von israelischen Sportlern, die mit einem Desaster und vielen Toten endet.“

In Friedrichsdorf wird in diesem Jahr auf Grund der Gebietsreform die Zusammenlegung der heutigen vier Ortsteile Köppern, Burgholzhausen, Seulberg und Friedrichsdorf beschlossen. Am 5. Juni 1972 entstand nach einem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung der Vorläufer des heutigen Städtepartnerschaftsvereins Friedrichsdorf die „Gesellschaft zur Pflege internationaler Beziehungen e.V. Friedrichsdorf“.

Danach begann die Suche nach einer passenden Stadt, getreu den Vorgaben des Deutsch-Französischen Freundschaftsvertrags von 1963 zunächst in Frankreich.
Mit Houilles, nordwestlich von Paris, fand man eine Kommune, die sich auch für Friedrichsdorf interessierte. Offizielle Delegationen aus beiden Städten besuchten sich und im Oktober 1973 wurde in Houilles die Verschwisterung feierlich besiegelt. Treibende Kräfte zu dieser Zeit waren Dr. Dieter Roghé, Ernst Pauly und Wolf-Rüdiger Krauss. Sie waren es, die buchstäblich das Rad zum rollen brachten.

Wolf-Rüdiger Krauss, Lehrer für Französisch und Englisch und begeisterter Fahradfahrer, organisierte mehrere Fahrten nach Houilles.
Eine dieser „Tour de Jumelage“ im Jahre 1978 blieb Irmgard Thorisch besonders in Erinnerung: „Da Lehrer und Schüler auf Ferien angewiesen waren, entschieden sich die 18 Teilnehmer für die Osterferien und startete bereits Ende März, wobei man noch von gelegentlichem Schneegestöber überrascht wurde.
Nach fünf Tagen in Houilles angekommen, wurde man von einer großen Menschenmenge begeistert empfangen. Man bestaunte nicht nur die Fahrer, sondern auch deren Räder, teilweise sogar ohne Gangschaltung, die sich von der Ausstattung der französischen Räder deutlich unterschied.“

1985: Ankunft der Radler aus Houilles vor dem Friedrichsdorfer Rathaus (Foto: Sven Arnold)

Jeder Teilnehmer erhielt damals ein auf seinen Namen ausgestelltes „Ehren-Diplom des Ministeriums für Velo“ für 700 km Atemlosigkeit, Transpiration, Reifen flicken und Tritt in die Pedale. Begleitet wurde die Tour von Erich Landvogt mit einem Rotkreuz-Bus, der für Verpflegung und Erste Hilfe zuständig war.


Dr. Dieter Roghé war der erste Vorsitzende unseres Vereins. Er wäre gern bei dieser Feier dabei gewesen und schrieb uns Folgendes:

Ich beglückwünsche Sie herzlich zum
50. Jubiläum des Städtepartnerschafts-vereins. In unserer kurzlebigen Zeit ist das schon eine lange Spanne, die Sie erfolgreich gearbeitet haben. Und ich denke, dass dieser Einsatz heutzutage wichtiger denn je ist angesichts der vielen Krisen, die
Europa und die Welt erschüttern. Leider kann ich aufgrund meiner persönlichen Situation nicht selber daran teilnehmen, werde aber in Gedanken bei Ihnen sein.
Meine Jahre des Einsatzes für diesen Verein zähle ich zu den sinnvollsten meines Lebens.

Natürlich erinnere ich mich noch sehr gut an die Gründung der „Gesellschaft für Internationale Beziehungen“, die später zum Städtepartnerschaftsverein wurde, in der alten Philipp Reis Schule. Meine Frau hatte zuvor viele Menschen persönlich angesprochen, und so kamen damals an die 30 Personen zusammen. Nach meiner Wahl zum Vorsitzenden konnte ich die ersten Bande mit Houilles knüpfen, später auch noch mit Chesham, wohin wir mit einer kleinen Delegation fuhren. Von der Spitze der Stadt-verwaltung erfuhr ich viel Unterstützung, vor allem von Bürgermeister Wilfried Fey und Stadtrat Albrecht Proescholdt.

Nach unserem Umzug ins Rheinland haben wir uns, kein Wunder, dem hiesigen Partnerschaftsverein angeschlossen, der die Partnerschaft mit der französischen Stadt Carbonne unterstützt.
Nochmals meine herzlichen Glückwünsche und freundliche Grüße

Dieter Roghé


Chesham bei London folgte als Partnerstadt im Jahr 1980. Doch die älteste Freundschaft verbindet Friedrichsdorf tatsächlich mit Bad Wimsbach/Neydharting. Bereits 1968 kamen die damals noch eigenständige Gemeinde Seulberg und die Marktgemeinde in Oberösterreich zusammen.

Nele Dommermuth und Christpher Ettling beim Pas de deux (Foto: Sven Arnold)

Seitdem wurden rege Verbindungen zwischen Vereinen, den Feuerwehren sowie Schülerinnen und Schüler der vier Kommunen geknüpft. Manchmal entstanden Freundschaften fürs Leben, manchmal auch mehr: Herbert Spahn, einer der Sportler des SV Seulberg, der mit vielen anderen nach Bad Wimsbach fuhr, verliebte sich und heiratete seine Frau Christel.

Das Besondere daran: Nele Dommermuth, die Großnichte von Christel und Herbert Spahn, tanzte mit ihrem Partner Christopher Ettling einen berührenden „Pax de deux“. Diese „Schritte zu zweit“ als Symbol der Liebe eines Paares im Tanz lassen sich nach Ansicht von Norbert Schneider nicht nur auf die Städtepartnerschaften übertragen, sondern sind vielleicht das beste Symbol für diese. „Gemeinsam können wir Freundschaften realisieren, ein Miteinander fördern und den Geist des friedlichen Europas verwirklichen“, sagte er.

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